Der Münchner Stadionschwelbrand

Seit sich am 21. Oktober 2001 die Mehrheit der Münchner Wahlberechtigten in einem Bürgerentscheid für den Neubau eines neuen Fußballstadions in Fröttmaning aussprachen, dachte so mancher vielleicht, dass die Stadionsituation in der bayerischen Landeshauptstadt nun gelöst sei. Weit gefehlt.

Schon immer glimmt nicht nur in Löwen-Fankreisen der nicht ganz so geheime Wunsch, irgendwann aus dem ungeliebten Schlauchboot auszuziehen und ins historische Grünwalder Stadion zurückzukehren. Nach der Stadionaffäre, die mit einer rechtskräftigen Verurteilung von Wildmoser junior – dessen Vater man bis heute die “Hauptschuld” an der Zwangsehe mit dem Lokalrivalen anlastet – endete, wurden diese Stimmen lauter. Und haben nun aufgrund verschiedener Faktoren eine neue Qualität erreicht.

Die öffentliche Diskussion hat in den letzten Tagen neuen Zündstoff erhalten, als Bayerns zukünftiger Präsident Uli Hoeneß erklärte, er habe kein Problem mit dem Auszug der Löwen aus der inzwischen Bayern vollständig gehörenden Arena. Vertraglich ist 1860 noch bis zum Jahre 2020 an die Spielstätte gebunden.

Diese vertragliche Grundlage ist nun auch der Streitpunkt einer neuen Eskalationsstufe. Der FC Bayern als Alleineigentümer der Stadiongesellschaft verklagt den TSV 1860 München aufgrund ausstehender Zahlungen für das Catering der Business Seats im Rahmen der Löwen-Heimspiele.

Die Sechziger halten den Mietvertrag in diesen Punkten inzwischen für sittenwidrig, da ihnen durch die pauschale Abgeltung die Bewirtung für Zuschauer in Rechnung gestellt wird, die gar nicht kommen, deren Plätze gar nicht verkauft werden konnten. Nachdem eine Einigung mit dem FC Bayern, der zuvor nicht nur die Stadionanteile des Lokalrivalen abkaufte, als dieser kurz vor dem Lizenzentzug durch die DFL stand, und eine Verringerung der Mietzahlungen gewährte, in dieser Hinsicht scheiterte, verweigerte 1860 seit Anfang dieser Saison die Zahlung für das Catering der nicht abgesetzten Business Seats. Der FC Bayern beschreitet nunmehr den Rechtsweg.

Unabhängig von der rechtlichen Bewertung – nur soviel, aufgrund des grundrechtlichen Instituts der Vertragsfreiheit liegen die Grenzen, wann ein Vertrag als sittenwidrig gilt, sehr hoch – stellt sich doch angesichts dieses doch drastischen Vorgehens beider Seiten die Frage, wie verfahren die finanzielle Situation des Zweitligisten zu sein scheint und für wie aussichtslos der Rekordmeister die weiteren Verhandlungen betrachtet.
Nicht nur bezüglich der sportlichen Misere muss man daher die Nerven der Blauen im roten Bereich verorten.
Sollte sich nun etwa auch noch der worst case einstellen und die Löwen als Drittligist in die Saison 2010/11 gehen, ist ein Verbleib im Münchner Norden nicht nur wegen der dort wohl noch geringeren Stadionauslastung absolut utopisch.

Das größere Problem als die Stadiongesellschaft hätte in diesem Fall aber die Stadt München.
Aufgrund der vom DFB verschärften Anforderungen für Stadien in ihrem Hoheitsbereich – also 3. Liga und Regionalligen – ist dieses für die Spiele der zweiten Mannschaft des FCB derzeit nur für gut 10.000 Zuschauer zugelassen, was für die Löwen dann doch auch wieder zu klein wäre. Und schon jetzt jammert der Rasen des Stadions angesichts hoffnungsloser Überlastung mit über 90 Spielen pro Saison. Weitere Investitionen, um das Stadion im vollen Fassungsvermögen von über 20.000 Plätzen für den dauerhaften Spielbetrieb herzurichten, wären nötig – ganz zu schweigen von weitergehenden Maßnahmen für einen zeitgemäßen, komfortablen Stadionbesuch. Ja, auch für Business Seats, natürlich in geringerem Umfang. Von baurechtlichen Hindernissen ganz zu schweigen. Die Freunde des Sechziger-Stadions können ja gerne mal in Freiburg und Paderborn nachfragen.

Die Freude bei der ebenfalls nicht auf Rosen gebetteten Stadt München angesichts möglicher weiterer Ausgaben, nachdem man schon in die Infrastruktur des anderen Stadions hat investieren dürfen und jährlich Gelder für den Unterhalt des altehrwürdigen Olympiastadions aufbringen muss, hält sich erkennbar in Grenzen.
Dass 1860 dies aus eigener Tasche erbringen könnte, steht derzeit außerhalb jeglicher Möglichkeiten. Auch ein Investor, der neben eben jener Allianz Arena ein weiteres, modernes Fußballstadion in München vielleicht doch irgendwann für tragfähig erachtet, findet sich nach dem letzten, erfolglosen Versuch, der am Widerstand der DFL scheiterte, derzeit noch nicht mal im Nahen Osten.

Das Münchner Stadiondilemma geht weiter, eine Fortsetzung der Vernunftehe erscheint immer unwahrscheinlicher. Ein Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung erscheint kaum zu vermeiden. Zumindest gibt es hier keine Streitereien um Unterhalt und die Kinder.

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