Risiko Magath

Felix Magath ist der Traum der Medien. Redegewandt, leicht aufbrausend, kauzig, hemdsärmelig. Haut gerne eigene Spieler vor laufender Kamera in die Pfanne. Geriert sich als harter Hund, der “die verwöhnten Millionäre” über den Platz scheucht. Der Trainer von Schalke 04 macht besonders dem Boulevard die Arbeit leicht.

Zudem versteht es der Meistertrainer von 2008/09 exzellent, die Medien durch gezielte Aktionen vor seinen Karren zu spannen. Man denke nur zuletzt an sein bewusstes Anfeuern der Gomez-Spekulationen, die wenige Tage später von Sportdirektor Horst Heldt als vollkommen haltlos bezeichnet wurden.

Das Resultat:

Magath wird von weiten Teilen des Boulevards hofiert. Man hängt ihm bereitwillig an den Lippen, sein Wort hat Gewicht. Er wird als Messias gefeiert, der den “Chaosklub” Schalke wieder “auf Linie” gebracht und somit erstmals realistische Chancen auf Meisterschaft und dauerhafte Bayern-Konkurrenz entzündet habe.

Doch dabei ist die Schalke-Welt nicht eitel Sonnenschein, wie man es denken mochte. Boulevard-Liebe, Platz 2 und Raúl überdecken einigen Ungemach in der königsblauen Anhängerschaft. Und mit der Absetzung des Fanbeauftragten Rolf Rojek, der seit 1988 diesen Posten bekleidete, treten die ersten Probleme offen zu Tage, die auch “Messias Magath” nicht mehr unter den Teppich gekehrt bekommt.

Es gibt derzeit zwei offene Risse, deren Existenz inzwischen jedem auffallen. Zum einen Magaths Streben nach mehr Macht im Verein, das schlussendlich wohl zum Bruch mit Rojek geführt hat. Bei der letzten Jahreshauptversammlung wollte Magath erreichen, dass der Vorstand auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates über größere Summen verfügen dürfe. Derzeit beträgt die Summe, die Magath ohne Rücksprache ausgeben darf, nur 300 000 Euro. Zum Vergleich, der Vorstand des FC Bayern muss den Aufsichtsrat erst ab Ausgaben über 20 Mio um sein Plazet ersuchen.

Diese Satzungsänderung wurde denkbar knapp abgelehnt. 422 Mitglieder stimmten für die Änderung, 441 jedoch dagegen. Zwischen den Zeilen wird dem Fanbeauftragten Rojek vorgeworfen, dass er in dieser Frage ein Hauptinitiator des Widerstandes gegen die Satzungsänderung gewesen sei.

Der andere Konflikt ist der existenziellere. Schalke drückt ein Schuldenberg von rund 250 Mio Euro. Und – anders als es der Magath-freundliche Boulevard darstellt – ist dieses Problem bei weitem nicht mal ansatzweise gelöst oder entschärft. Die Qualifikation zur Champions League war kein Befreiungsschlag, ebensowenig ist es eine Umschuldung. Es ist vielmehr ein Tropfen im Ozean. 60 Mio Euro kann man als deutscher Gewinner der Königsklasse in etwa verdienen – abzüglich Prämien, abhängig vom Abschneiden der anderen deutschen Vertreter. Doch wer glaubt ernsthaft an einen Schalker Triumph in Wembley? Die Schalker Entschuldung ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

Magath hat geschafft, dass ihm in diesem Sommer Mehreinnahmen aus dem Lizenzspielerbereich für Neuverpflichtungen zur Verfügung gestellt werden. Von 30 Mio reden die Medien. Damit soll verhindert werden, dass nach dem Erfolg der Vorsaison der Weg wieder rückwärts geht und man auch in der CL Erfolge feiern kann. Dennoch ist hiermit auch eine große Gefahr verbunden. Die Sanierung des Vereins wird noch weiter hinausgezögert. Schalke legte vor kurzem eine Fananleihe auf, da auf dem “normalen” Geldmarkt für den Verein keine attraktiven Konditionen mehr zu bekommen waren.
Egal, was Boulevardmedien und Magath behaupten: Die Finanzlage von Schalke 04 ist dramatisch.

Daneben erscheint der Ärger über erhöhte Ticketpreise wie ein Sturm im Wasserglas.

Magath ist derzeit der Alleinherrscher auf Schalke. Daneben erscheinen Tönnies und Heldt maximal als Abteilungsleiter von Felix’ Gnaden. Das Problem ist, was passiert, wenn der sportliche Erfolg – warum auch immer – ausbleibt. Wenn die finanziellen Mehreinnahmen ausbleiben. Schalke hätte die Chance gehabt, die Gesundung des Vereins zu beschleunigen. Magath entschied sich dagegen, er setzt auf das Pferd, die sportliche Gesundung zu beschleunigen – mit dem Versprechen, dann später als etablierter Großklub die Sanierung einfacher zu gestalten.

Doch stellt sich so mancher die Frage, ob Magath – der bei Bayern nach zweieinhalb Jahren vor die Tür gesetzt wurde, bei Wolfsburg nach zwei Jahren freiwillig von der Fahne geht – noch den Abschluss der Schalker Sanierung miterleben wird. Es braucht keinen Hellseher, um diese Frage mit “Nein” zu beantworten.

Schalke ist größer als Magath. Der Verein wäre gut beraten, sich nicht widerspruchslos in dessen Hände zu begeben. Mit der Absetzung des Fanbeauftragten Rolf Rojek hat man nun aber ein Stück echtes Schalke entfernt.

Der Erfolg des FC Bayern basiert auch darauf, dass die Verantwortung auf viele Schultern verteilt wurde. Der VfL Wolfsburg konnte den Eigenbrödler Magath verkraften, mit der Finanzkraft von Volkswagen im Hintergrund. Doch nach dessen Abgang brauchte es mindestens ein Jahr, bis man wieder einigermaßen “auf Spur” war und die Magath-Strukturen wieder ausglich.

Ob Schalke die Kraft hätte, einen Magath-Abgang in ein, zwei Jahren zu verkraften? Es ist zu bezweifeln. Und der Schuldenberg erlaubt eigentlich kein verschenktes Jahr, ohne gleich existenzbedrohend zu werden.

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