Gladbach 2011/12, Hertha 2008/09 – das Lucien-Favre-Deja-Vu?

Hertha BSC, 2008/09: 14 Siege mit nur einem Tor Unterschied.

Borussia Mönchengladbach, 2011/12: Nach sieben Spieltagen fünf Siege mit einem Tor Unterschied.

Nicht nur auf dem Papier sind die Parallelen auffällig. Lucien Favres Handschrift, die die alte Dame Hertha BSC vor drei Saisons zwischenzeitlich an die Spitze der Bundesliga und in der Endabrechnung auf Platz 4 gebracht hat, zeigt sich nach nicht mal einem Jahr des Wirkens am Niederrhein nun auch bei der Fohlen-Elf.

Was mit einem Sieg – als einzige Mannschaft bisher – bei den Bayern begann, der noch gerade so als glücklich und das Resultat von individuellen Fehlern des Rekordmeisters eingeordnet werden konnte, ist die derzeitige Siegesserie kein Zufall mehr.

Der Schweizer Trainer zeigt erneut, dass er es versteht, wie er aus einem äußerst begrenzten Spielermaterial mehr rausholt als auf den ersten Blick möglich erscheint.

Schon bei der Hertha rieb sich so mancher verwundert die Augen, wie ein Kader voller Durchschnitt, garniert mit ein, zwei qualitativ herausragenden Könnern solche Ergebnisse abliefern konnte. Und bei Gladbach ist es nun nicht viel anders. Was damals Andrej Voronin und Jaroslav Drobny waren, sind heute Andre Ter Stegen und Marco Reus. Spieler, die auf substantiven Positionen eine Qualität bieten, die Spiele gewinnt.

Der Rest des Kaders sorgt dafür, dass wenige geniale Momente ihrer Ausnahmekönner oftmals für drei Punkte sorgen. Die defensive Ordnung des gesamten Teams, verbunden mit einem enorm schnellen Umschalten bei Ballgewinn bzw. -verlust, lassen die qualitative Breite vergessen.

Das gestrige Spiel gegen Nürnberg fällt da sogar etwas heraus. Zum praktisch ersten Mal in dieser Saison war Borussia Mönchengladbach über neunzig Minuten de dominante, bessere Mannschaft, die den Sieg mehr wollte, mehr in die Offensive investierte. Einzig der Abschluss passte lange Zeit nicht, die letzte Konsequenz fehlte. Aber solche “Ausreißer nach oben” gab es auch bei Favres Hertha.

Das Umfeld am Niederrhein, leidgeprüft, hungrig nach den Erfolgen von früher, fängt jetzt bereits an zu Träumen. Träume, die sich an der Spree erst in der Rückrunde, nach dem Sieg im Heimspiel gegen den FCB entwickelten. Natürlich spricht derzeit kaum einer ernsthaft von der Meisterschaft, wie es in der Medienstadt Berlin beinahe zwangsläufig war. Doch Erinnerungen an alte Erfolge durch Netzer, Vogts & Co. werden wach, und etwas träumen ist ja erlaubt, tut keinem weh.

Doch wo endet der Weg?

Das große Problem der Gladbacher ist und bleibt die fehlende Breite in der Spitze, was, wenn der fragile Marco Reus – man frage nach bei Joachim Löw – einmal mehrere Spiele am Stück ausfällt? Können dann die anderen offensiven Lösungen de Camargo und Bobadilla diese Lücke schließen? Man mag es bezweifeln. Und ohne Reus wird aus der 1-0-Borussia schnell eine 0-0-Borussia.

Natürlich, viele Fans der Fohlen, die lange Jahre sich Saison für Saison – zuletzt erst vor wenigen Monaten – mit der Abstiegsangst befassen durften, verweisen zu Recht darauf, dass derzeit jeder Punkt erstmal ein Punkt gegen den Abstieg ist. Doch lass’ die derzeitige Erfolgswelle etwas weiter schwappen. Dann entwickeln sich Anspruchsdenken und Erwartungen schneller als Favre & Co. lieb sein kann. Dann langt ein müdes, ermauertes 0-0 nicht mehr.

Das internationale Geschäft kommt für den Fast-Absteiger der Vorsaison mit Sicherheit zwei, drei Jahre zu früh – nur, um einigen überzogenen Ansprüchen bereits jetzt den Riegel vorzuschieben. Gladbach braucht mindestens zwei Saisons im gesicherten Mittelfeld der Liga, um organisch in die Rolle zu wachsen, die das Umfeld so ersehnt. Ob die mittelklassefeindliche Bundesliga dies zulassen wird, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Am Ende des Tages bleibt als Fazit nur eines: Lucien Favre brachte der Hertha eine Übersaison zum Träumen, hinterließ aber auch eine Mannschaft, die danach schnurstracks Richtung 2. Liga rauschte. Dies lässt einen bitteren Beigeschmack zurück, den man etwa auch bei “Durchlauferhitzer-Trainern” wie etwa Felix Magath spürt. Dass Favre langfristig einer Mannschaft ein Konzept, eine Idee, ein Gesicht geben kann, muss dieser noch beweisen. Und solange sollten, müssen die Gladbacher diese Ausnahmesaison genießen.

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