Klopps wirkliches Meisterstück

Herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft, BVB. Die konstanteste Mannschaft der Bundesliga steht bereits nach dem 18. Spieltag praktisch als Deutsche Meister fest. Der BVB ist diese Saison in der Liga überragend gut, und in der Kombination mit den erstaunlichen Schwächen der Konkurrenz ist schon im Januar jede Luft aus dem Meisterschaftsrennen heraus.

Und deshalb liegt das wahre Meisterstück von Jürgen Klopp erst vor ihm. Die in weiten Teilen junge, mit Titeln noch nicht gesegnete Mannschaft der Borussia auf den bevorstehenden Erfolg vorzubereiten und vor allem: Sie dem Druck des Favoriten auszusetzen.

Dazu gehört aber ein wichtiger Aspekt, den Klopp nun endlich berücksichtigen muss. Er muss sich zur Meisterschaft bekennen.

Sein bisheriges Verhalten gegenüber den Medien ist absolut nachvollziehbar. Druck von der Mannschaft nehmen, Erwartungen niedrig halten, das Umfeld ruhig stellen.

Denn die Konsequenz ist klar. In dem Moment, wo sich auch Klopp, Zorc und Watzke zu dem Ziel Meisterschaft bekennen, ist klar, dass sich die Stimmung im Rahmen der BVB-Spiele ändern wird. Mit dem Moment ist die schwarz-gelbe Borussia in jedem Spiel – auch auswärts beim FC Bayern – der klare Favorit. Die Fans werden diese Erwartungshaltung ebenfalls übernehmen. Und man wird – im schlimmsten Fall – die Mannschaft bei Misserfolg schnellen Unmutsäußerungen aussetzen.

Man sieht es beim Deutschen Rekordmeister regelmäßig in Heimspielen. Führt die Mannschaft nicht, spielt sie phlegmatisch, kommt sie mit einem defensiven Gegner nicht zurecht, gibt es oft schon Pfiffe nach 15 Minuten.

Man mag nun entgegnen: Dass Dortmunder Umfeld sei so hungrig nach Erfolg, so ausgezehrt nach den mageren Jahren, dass man auch nun ein paar schlechtere Auftritte tolerieren würde. Gerade bei dieser Mannschaft. Dass der BVB sämtliche 16 Spiele bis zum Saisonende verlieren könne, dass es dennoch eine große Saison gewesen sei.

Doch genau hier setzt nun die vornehmliche Aufgabe von Klopp an. Seine Aufgabe sollte es nun nicht mehr primär sein, die Meisterschaft einzufahren. Das wird so oder so gelingen. Jürgen Klopp hat nun die Verantwortung für die mittelfristige Zukunft der Mannschaft. Er muss die Mannschaft auf das vorbereiten, was sie allerspätestens nächste Saison erwarten wird. Als Deutscher Meister wird man anders empfangen. In der Champions League wird anders gespielt. Nach einer Meisterschaft stellen sich andere psychische Herausforderungen.

Man sah es am VfL Wolfsburg, man sah es am VfB Stuttgart. Mannschaften, die nach langer Zeit Recht überraschend zum Titel kamen und in der Folgesaison an diese Leistungen in keiner Weise anknüpfen konnten. Dass dies nicht passiert, dass der BVB diese historische Chance nutzt, wieder dorthin zu kommen, wo man Ende der 90er bereits war, zur zweiten Kraft in Deutschland zu werden, ist nun die erste Bürgerpflicht der sportlichen Leitung.

Und dazu gehört, die Mannschaft, die jungen Spieler mental auf diese Belastungen vorzubereiten. Ein erster Schritt wäre es, wenn Jürgen Klopp das Ziel Meisterschaft öffentlich ausgibt und so die Mannschaft unter Druck setzt. Denn seien wir ehrlich: Schaden wird es nicht. Im schlimmsten Fall verliert der BVB zwei, drei Spiele mehr, weil man mit der Situation nicht zurecht kommt. Sei es drum. Meister würde man dennoch.

Doch der Gewinn auf Seiten der psychischen Entwicklung der Spieler wäre unbezahlbar.

Die Spieler würden lernen, mit gestiegenen Erwartungen umzugehen. Die Spieler würden lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Die Spieler würden lernen, mit dem Druck umzugehen, der mit der Rolle einer Spitzenmannschaft einhergeht.

Hält der BVB dieses lächerliche Mantra, man spreche nicht von der Meisterschaft, aufrecht, versündigt man sich an der Zukunft dieser Mannschaft.

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