Ejaculatio Praecox

Ein alternativer Titel wäre: Van Gaals Unvollendete. Eine gute, ja, wohl auf jeden Fall überragende Saison des FC Bayern München endet kurz vor der absoluten Krönung mit einer genauso absolut verdienten Niederlage im Champions League Finale gegen Inter Mailand.

Der Deutsche Rekordmeister lieferte seine beste Saisonleistung dummerweise eine Woche zu früh ab, im DFB-Pokal-Finale zu Berlin klappte gegen Werder Bremen auch wirklich alles, jeder Ball fiel vom Rücken des Verteidigers genau vor die Füße des Stürmers. Dagegen gestern, im Kampf um den großen Henkeltopf, das genaue Gegenteil. Was schief gehen konnte, ging schief.

Da steht mal ein Innenverteidiger genau im falschen Moment zu weit weg vom Gegner, die Außenverteidiger viel zu zaghaft nach vorne, Arjen Robben mit wenig Chancen gegen drei Defensive, Ivica Olic kaum am Ball. Und dann schließt die Entdeckung der Saison, Thomas Müller, bei der besten Chance auch noch zu hektisch ab und trifft gerade noch so das Bein von Torhüter Cesar. Zehn Zentimeter höher, 1-1. Zehn Zentimeter weiter links, 1-1.

Doch entscheidend ist nun, wie Mannschaft, Führung, Umfeld auf diese Niederlage reagiert.

Es war eine tolle Saison. Auch als FC Bayern kann man das Double nicht als Naturgesetz sehen, auch wenn es in den letzten sechs Jahren viermal den Weg in die bayerische Landeshauptstadt fand. Und schon gar nicht ist eine Teilnahme am europäischen Clubfinale Usus. Nein, das war auch so ein Highlight. Der größte Erfolg drückt sich darüber hinaus auch nicht in Ergebnissen aus, sondern in der Spielweise. Der FCB spielt ansehnlichen Fußball, Fußball mit Plan, Fußball mit Konzept, Fußball mit Hirn.

Aber einen sehr klugen Satz muss man nun im Hinterkopf behalten:

Im Erfolg macht man die meisten Fehler.

Ein simples wird scho wäre das Gefährlichste, was sich nun einschleichen könnte. Alle bei den Bayern müssen von dieser Demütigung, die es dann doch schlussendlich gestern war, diesem Klassenunterschied, dieser Chancenlosigkeit so dermaßen, drastisch ausgedrückt, angekotzt sein, dass einziges Ziel sein kann, den Triumph, der gestern ausblieb, in den nächsten ein, zwei Jahren nachholen zu wollen. Zumindest Präsident Uli Hoeneß ließ in Aussagen nach dem Spiel diese Stoßrichtung anklingen, was zumindest hoffnungsfroh stimmt.

Nun müssen in der Sommerpause auch in der Transferpolitik die Lehren aus den Spielen, die eben nicht erfolgreich gestaltet wurden, gezogen werden. Bei aller Euphorie, die KO-Phase der CL gestaltet sich folgendermaßen aus: Sieben Spiele, vier Siege, drei Niederlagen, 12-10 Tore.
Dagegen Inter: Sieben Spiele, sechs Siege, eine Niederlage, 10-3 Tore.
Wer die deutlich schwereren Gegner vor der Brust hatte, kommt noch dazu.

Aber schwarz malen muss man dennoch nicht. Der Kern der Mannschaft ist intakt, um die offensive Extraklasse mit Ribéry und Robben, die auch die nächsten zwei Jahre zusammen in München agieren wird, die mit dem deutschen Ausnahmetalent im Wartestand, Toni Kroos, Zuwachs bekommt, den Laufwundern Ivica Olic und Thomas Müller und den einzigen beiden derzeitigen deutschen Weltklassespielern Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger hat Bayern eine Grundlage, auf der man aufbauen kann.

Und die Schwachstellen im Kader sind leicht auszumachen, wodurch die Hoffnung besteht, dass Nerlinger & Co. diese nun beackern werden. Die zweite Außenverteidigerposition, die mit Holger Badstuber vollkommen fehlbesetzt ist, der im Zentrum viel wichtiger wäre. Die zweite Sturmreihe hinter Ivica Olic, von der bei Einwechslungen wenig bis gar nichts kommt, die zum Teil von den Anlagen her ein ganz anderes Spielkonzept erwartet als es Bayern bieten kann.
Und mittelfristig muss man sich, bei aller Liebe für Hans-Jörg Butt, auch über die Torwartposition unterhalten.

Der Schlüsseltransfer bleibt der Linksverteidiger. Schafft es Bayern, nach dem unglücklichem Transfer von Braafheid, einen defensiv wie besonders auch offensiv starken Außenverteidiger nach München zu locken, der Ribéry unterstützen und den Rücken frei halten kann, lösen sich viele Probleme der Hintermannschaft in Wohlgefallen auf. Holger Badstuber würde frei, erlaubt die Verbannung von van Buyten oder Demichelis auf die Bank. Wobei es auch zu einfach ist, alles an der Innenverteidigung festzumachen. Die Innenverteidiger sind die neuen Torhüter. Fällt ein Tor, sehen sie schlecht aus. Obwohl die Fehler – auch – weiter vorne geschehen sind. So auch gestern, Sneijder, immerhin ein Mittelfeldspieler, kommt mehrmals frei zum Ball, ungehindert von den Sechsern, die Schuld bekommen der Belgier und der Argentinier aufgeladen. Nicht van Bommel, nicht Schweinsteiger.

Insofern ist auch die Aussage van Gaals gestern interessant. Man spiele eben so, da habe der Gegner mehr Platz. Auf deutsch: Mit dem offensiven Spiel fallen Gegentore, die Chancen müssen durch Ballbesitz minimiert werden und nach vorne muss schnell und oft Erfolg erzielt werden. Aber dafür muss dann eben alles passen. Dann darf kein Ribéry fehlen, dann darf kein van Bommel einen gebrauchten Tag angedreht bekommen, dann darf kein Lahm aus Angst vor Kontern mit angezogener Handbremse spielen, und vor allem darf kein Badstuber mit seiner begrenzten Offensivkunst auf der Außenbahn verschenkt werden. Alles in allem: Nicht so ein Spiel wie gestern.

Unter dem Strich wird dennoch in einigen Tagen bei Fans, Vorstand und Spielern die Freude über die gute Saison vorherrschen, und hoffentlich in einer Aufbruchstimmung kulminieren, es beim nächsten Mal besser zu machen.

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