Eklat? Skandal? Wo?

Ein Thema frisst sich am Donnerstag vor dem drittletzten Spieltag der Bundesliga durch die Sportmedien wie ein Waldbrand durch die ausgetrocknete Steppe. Bastian Schweinsteigers “Ausraster”, der “Eklat” bei der Pressekonferenz der Bayern, eine “Wutrede”.

Hintergrund:

Schweinsteigers – etwas verspätete – Reaktion auf einen Artikel in der Sport Bild der letzten Woche, überschrieben mit “Chefchen Schweini”. Was man von diesem Artikel – den die Sport Bild euphemistisch als “Analyse” bezeichnet – halten mag, soll hier dahin stehen. Es war mit Sicherheit kein Glanzstück des deutschen Sportjournalismus, sondern vielmehr die von der Sport Bild gewohnte Melange aus Verkürzung, Zuspitzung, Übertreibung, garniert mit einer Prise Schmähkritik.

Die Quintessenz des Artikels:

Hat Bayern nicht gewonnen, war Schweinsteiger schuld.

Nun bekam der Autor dieses Artikels, Christian Falk, im Rahmen der PK direkt sein Fett weg. Der Mittelfeld-Motor der Bayern präsentierte ihm wenig durch die Blume, was er von diesem Werk hielt.

So wie du schreibst, hast du keine Ahnung. Du hast ja auch so viele Spiele bestritten. Du siehst nicht den richtigen Fußball. Glaubst du Louis van Gaal hat sich hier immer umsonst aufgeregt, wenn er ständig argumentieren musste?

Quelle

Doch am meisten regt sich die versammelte schreibende Zunft über die Wortwahl bei seinem Abgang auf:

Ganz ehrlich, ich habe keine Lust mehr. Wegen so einem Pisser brauche ich mich nicht so zutexten lassen. Arschloch…

Eine deftige Wortwahl, ohne Zweifel.

Doch, und das war leider zu erwarten, setzt bei der Sportjournalisten-Zunft der automatische Beißreflex ein. Einer von denen hat einen von uns angegriffen. Sofort fallen durch die Bank, ohne jeden Zweifel, Worte wie eben “Eklat” und “Skandal”. Der Grund ist für alle klar. Die Bayern sind angeknockt, die Nerven liegen aufgrund der sportlichen Herausforderung, der Aussicht, die Champions League zu verpassen, blank.

Selbstkritik? Nein. Null. Nichts. Nicht mal in den deutlich seriöseren Medien, nicht mal außerhalb der Axel-Springer-Wagenburg.

Doch damit tut sich der deutsche Sportjournalismus keinen Gefallen, dass man sich so kategorisch bereitwillig mit dem Kollegen der Sport Bild solidarisiert, sich dessen Artikel somit quasi gemein macht.

Natürlich kann man die Ausdrucksweise kritisieren, auch das Verhalten mindestens als unprofessionell bezeichnen.

Doch hat Schweinsteiger nicht eigentlich Recht? Fällt nicht gerade die Sport Bild regelmäßig dadurch auf, dass man wenig gehaltvolle Artikel durch besonders laute Überschriften kompensiert? Dass man seine Lieblinge hat, die getätschelt werden, seine Feinde, die praktisch jede Ausgabe in ein schlechtes Licht gerückt werden?

Dies wäre die Gelegenheit gewesen, für so manchen Sportjournalisten, einmal Gelassenheit zu demonstrieren. Kritikfähigkeit zu beweisen, auch wenn diese Kritik unter der Gürtellinie zu verorten ist. Und nicht, wie es eben der Journalie leider eigen ist, in den ihr subjektiv wichtig erscheinenden Themen schnell in die Nähe einer einseitigen “Kampagne” zu rutschen. Ob es das Urheber- bzw. Leistungsschutzrecht ist, ob es die vermeintliche Bedrohung durch neue Medien ist.

Doch die deutschen Sportmedien haben sich in weiten Teilen entschieden. Schweinsteiger ist der Buhmann, und zwar uneingeschränkt. Was sich der Herr Kollege erlaubt hat, wird nicht thematisiert. Warum auch, es würde ja die Kritik vielleicht rechtfertigen.

Im Endeffekt beweist die Handhabung des Themas aber leider eines: Im deutschen Sportjournalismus gibt es fast nur noch Boulevard. Der Beißreflex fällt doch nur deshalb so scharf aus, weil so mancher denkt, Schweinsteigers Kritik hätte auch ihn treffen können.

Die Souveränität, dass man sich für besser hält als die Sport Bild und damit die Kritik nicht auf sich bezieht, geht offenbar so manchem ab. Denn Nestbeschmutzer will man nicht sein.

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