DAZN – Ein kurzes Zwischenfazit nach dem ersten Monat, oder: Die Public Beta

Die Erwartungen wurden fast ins Unermessliche geschraubt. Nicht weniger als das „Netflix des Sports“ sollte Performs neues „Over the top“-Sportangebot DAZN (sprich: „Da Zone“) sein. Der Vergleich mit Netflix also sollte es sein. Das On-Demand-Angebot, das die Art und Weise, wie wir Serien und Filme konsumieren, weltweit verändert hat. Die gefeierte Serien produzieren, wie z.B. „House of Cards“, „Orange is the New Black“ oder „Narcos“. Die in den USA den langjährigen Platzhirschen wie HBO oder den Kabelnetzen das Wasser abgraben und der „Posterboy“ der Cordcutter sind.

Eine Nummer kleiner ging es nicht. Mit diesem Vergleich hat DAZN selbst die Latte sehr hoch gesetzt. Und in punkto Rechte hat man auch den Worten Taten folgen lassen. Alles gekauft, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Insbesondere der Erwerb der Premier League und der Highlightrechte der Bundesliga hat aufhorchen lassen.

Nun vor etwa einem Monat ist DAZN offiziell gestartet. Mit einem Freimonat für jeden Neukunden, so wie man es auch vom Vorbild Netflix gewohnt war.

Folglich waren die meisten Kunden in den ersten Tagen relativ nachsichtig. Man war ja im Freimonat, Welpenschutz gibt es sowieso. Die PS4-App, obwohl angekündigt, fehlt? Nun, sei es drum. Soll bald kommen. Die Amazon-Apps bieten Ruckelbild, trotz stabiler Internetverbindung? Feintuning. Ab und an fällt eine angekündigte Übertragung mal ins Wasser, aus unerklärlichen Gründen und ohne Vorwarnung oder Begründung und Entschuldigung bei Facebook & Co.? Kann mal vorkommen.

Doch nun: Wir schreiben Mitte September und die Kunden der ersten Stunden erreichen nun langsam das Ende des Freimonats bzw. haben diesen bereits erreicht.

Und prompt nun passiert der Super-GAU. Am 10. September stand das nächste Topspiel der Premier League auf dem Programm. Manchester United mit Jose Mourinho traf auf Pep Guardiola mit Manchester City. Das Derby von Manchester, Rot gegen Blau. Zwei Meisterschaftsfavoriten im direkten Duell. Die beiden wohl erfolgreichsten und markantesten Trainer der letzten Jahre. Ibrahimovic gegen seinen Ex-Trainer.

Das Spiel hatte alles, um ein Klassiker zu werden. Entsprechend groß war das Interesse.

Und DAZN? Streckt eine halbe Stunde vor Anpfiff die Waffen, die Server sind nicht mehr erreichbar, das Spiel (und auch andere Angebote, wie z.B. das erste Old Firm seit Jahren) ist für die Kunden nicht zu sehen.

Erst ca. zehn Minuten vor Ende schafft man wieder einen stabilen Stream, doch der Schaden ist angerichtet. Auf Twitter war DAZN – und zwar nicht mit positiven Schlagzeilen – zeitweise in Deutschland Trend Nr. 1. Sogar Medien außerhalb der „Freak-Blase“, wie Welt Online, berichteten über den Ausfall. Die Social Media Kanäle von DAZN meldeten sich zwar, jedoch auch nur mit den üblichen kurzen Wasserstandsmeldungen. Als die Server wieder liefen, versuchte man, mit einer Freiwoche die Wogen zu glätten.

Am Abend des 10. Septembers und auch am darauffolgenden Sonntag gab es noch das ein oder andere Problem, wenn auch nicht derart heftig wie am Samstag. Was die Gründe für den Ausfall waren, ist nicht bekannt, ist aber auch egal: Der Kunde will ein funktionierendes Produkt.

Ist dieses Ereignis nun ein Grund, die ersten Wochen von DAZN in einem anderen Licht zu sehen? Nein, aber es passt leider ins Bild.

Für den Außenstehenden wirkt der Launch von DAZN eher wie ein öffentlicher Beta-Test. Von den angekündigten Apps gab es nur einen Teil pünktlich zum Launch, es gibt kein Air Play, die Amazon-Apps sind eine Ruckelorgie, die PS4-App musste sogar wieder aus dem Store entfernt werden.

Es gibt keinen übersichtlichen TV-Guide, die Usability der Apps lässt zu wünschen übrig. Übertragungen werden teilweise angekündigt, dann aber doch nicht gebracht.

Bei allem Respekt:

Für einen Anbieter, der nicht weniger als die deutsche Sportmedienlandschaft revolutionieren will, der Millionen in Rechte investiert, der sich etablierter Dienstleister wie Plazamedia, Akamai oder Amazon bedient, ist das nur eines: Peinlich.

Es ist verständlich, dass man mit dem Start der Premier League ein Fixdatum hatte, um auf den Markt zu gehen. Aber die Vorbereitung lief seit letztem Jahr.

Und vor allem kann man, wenn man merkt, dass das Produkt nicht die erhoffte Marktreife hat und man eine Verschiebung nicht bringen kann, nicht auch noch Geld dafür verlangen. DAZN hätte in Anbetracht der Probleme ganz offiziell die Startphase als kostenlosen Betatest bezeichnen sollen. Dann kann man mit all den Macken leben.

So? So sind selbst „nur“ € 10,- viel Geld für ein Produkt, das erkennbar nicht marktreif ist. Mit diesem Produkt beschädigt man zudem auch noch die gerade erst eingeführte Marke. Da hilft auch keine knauserig wirkende Freiwoche als Entschädigung.

DAZN bietet ein riesiges Rechteportfolio, der feuchte Traum eines jeden Sportfreaks. Man drückt alle Daumen, dass dieses Projekt langfristig Gewinn abwirft. Aber derzeit macht es einfach keinen richtigen Spaß, DAZN zu nutzen.

Das könnte dich auch interessieren...

12 Antworten

  1. Ansgar Agentor sagt:

    Also ich für meinen Teil kann den letzten Satz so nicht bestätigen. Ok, ich muss zugeben, am Samstag war ich selber unterwegs, und habe dementsprechend von den Problemen nur gelesen. Am Sonntag beim on demand nachschauen hatte ich ein paar kleinere Aussetzer (wenige Sekunden kein Bild, o.ä.), ähnlich war es abends bei der NFL Red Zone, also nichts im Vergleich zu Samstag… Und für mich soweit ok, das habe ich auch schon bei NBA, NFL und Darts erlebt, und die streamen schon eine Weile länger. Ist natürlich eh immer die Frage bei wem das Problem liegt, wobei das bei den Problemen von DAZN am Wochenende offensichtlich nicht an meiner Internetverbindung lag.
    Ansonsten bin ich was die Qualität der Streams angeht sehr zufrieden, bei mir läuft alles problemlos, gute Bildqualität und keine Ruckler, die Aussetzer am Sonntag waren bisher eine Ausnahme. Dazu sei noch angemerkt, dass ich old school über den Browser gucke, sprich HTPC am TV Gerät (ggf. noch am PC und/oder Tablet). Das hat sich bei mir so etabliert, und den großen Vorteil, dass ich nicht drauf angewiesen bin, dass irgendwelche Konsolenapps entwickelt werden…
    Das einzige was mich stört ist der angesprochene fehlende Programmguide, das ist in der Tat im Moment alles eher umständlich.
    Und noch was zum dem „Netflix des Sports“, ich denke damit wollte man sich weniger an Netflix messen, sondern dem noch nach der Fernsehzeitung lebenden Sportzuschauer einfach erklären, um was es sich handelt. Inwieweit man die überhaupt erreicht ist natürlich eine andere Frage, für uns „Freaks“ hätte es diesen Vergleich nicht gebraucht, und er weckt natürlich eine gewisse Erwartungshaltung.

  2. Proesterchen sagt:

    Wie soll ich ein Angebot für voll nehmen können, bei dem ich nicht mal nachschauen kann, welche Übertragungen überhaupt im Programm sind?

    Kann doch wohl nicht deren Ernst sein, dass man entweder auf AAS etc angewiesen ist oder ein Abo abschließen muss, um mehr als eine leere Seite mit Ligalogos zu sehen?

  3. Zulu sagt:

    Schöner Bericht. Die Apps für Playstation, Samsung und Sony Smart TVs waren tatsächlich nicht nur angekündigt, sondern wurden noch Wochen nach dem Launch ausdrücklich und uneingeschränkt als „verfügbar“ beworben. Dass das glatt gelogen war, konnte man erst nach der Anmeldung feststellen. Darf man für irreführende Werbung halten, mindestens aber unsympathisch finden.
    Insgesamt leider noch deutlicher Kontrast zwischen dem markigen Auftritt und der gebotenen Leistung, für mich zu deutlich. Hoffe, dass sich das mal ändert.

  4. dogfood sagt:

    @Zulu: Grundsätzlich teile ich deine Meinung zu zahlreiche der Apps und der Problematik, dass diese auf der Startseite und Pressemitteilungen als „verfügbar“ bezeichnet wurden (auf der Startseite explizit, in den Pressemitteilungen implizit). Allerdings war im Hilfe-Bereich („Auf welchen Geräten kann ich DAZN streamen“) die PS3 und PS4-App als „Demnächst“ gekennzeichnet. Der Hilfe-Bereich ist auch für unregistrierte User einsehbar. Es gab also Mittel und Wege um herauszufinden, auf welchen Devices DAZN zur Verfügung statt – aber das ist maximal das „Kleingedruckte“ gewesen, während 20 Tage lang auf der Startseite das Gegenteil stand. Deswegen gehe ich mit, dass das eine grenzwertige Informationspolitik.

    @Ansgar: „Netflix des Sports“ ist ein von Perform selbstgewählter Begriff gewesen, der im allerersten Artikel über das DAZN-Projekt im September 2015 beim Wirtschaftsdienst CNBC stand:
    „Once we prove our ability to launch a service and acquire a user base very similar to how Netflix has rolled out in a few years, we will be seeking similar opportunities elsewhere“ (CNBC: http://www.cnbc.com/2015/09/25/will-this-become-the-netflix-of-sports.html).

    Es kann also nicht die Rede davon sein, dass man ein paar Doofies einfach mal was verständlich machen wollte. Es ist eine von Perform ganz bewusst gewählte Meßlatte. Daran darf man sie auch nach einem Jahr messen (DAZN mag vielleicht seit 4+x Wochen öffentlich zugänglich sein, aber die Planungen laufen seit mind. einem Jahr – die Rechte wurden seit dem letzten Frühsommer eingekauft)

  5. Thank you for always being open and honest with your readers It’s refreshing to see a blogger who is unafraid to be vulnerable and real

Schreibe einen Kommentar zu Proesterchen Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert