Freistoßspray durch den TÜV gefallen?

In der heutigen Medienwelt sind Exklusivmeldungen schon lange mehr als das Salz in der Suppe. Agenturberichte abdrucken kann jeder. Über Exklusivmeldungen wird man wahrgenommen, über Exklusivmeldungen erhält man kostenlose Werbung durch Quellenangaben. Auf Deutsch: Über Exklusivmeldungen verdient man sein Geld.

Besonders gut ist es natürlich, wenn hinter dieser Exklusivmeldung auch ein journalistisch gutes Stück Arbeit steckt.

Doch manchmal stören journalistische Grundsätze nur. Wie sagte schon Mark Twain:

„Never let the truth get in the way of a good story.“

Die BILD-Zeitung stellt hohe Ansprüche an sich selbst, was eben jene Exklusivmeldungen angeht. BILD sieht sich selbst als das Organ, das am nähesten an allem dran ist und alles weiß und als erster alles berichtet.

Am einfachsten geht das natürlich, wenn man selbst die Nachricht „verursacht“. So geschehen heute mit dem Freistoßspray „9-15 Fair Play Limit“, welches demnächst in der Bundesliga eingeführt werden soll. Wie produziert man also eine gute Story? Man nehme eine wichtige Institution, des deutschen Mannes liebstes Kind, die Bundesliga. Dazu packe man eine weitere, weltweit anerkannte und hochgeschätzte Institution, den TÜV Rheinland. Zuletzt rühre man eine Portion „neumodiges Zeugs“ dazu, das Freistoßspray. Denn der BILD-Leser ist immer erstmal skeptisch gegenüber allem Neuen und Fremden.

Da besorgt man sich also als BILD-Reporter irgendwo – per Google Shopping findet man es auf jeden Fall nicht – das ominöse Freistoßspray, welches unter dem Markennamen „9-15 Fair Play Limit“ vertrieben wird. Normaler Rasierschaum ist es auf jeden Fall schon mal nicht gewesen.

Hierbei ist schon mal herauszustellen: Das Freistoßspray ist offiziell noch nicht auf dem deutschen Markt erhältlich. Zwar gibt es bei Amazon oder ebay ab und an mal ein paar Anbieter, die vermutlich auf eigene Faust ein paar Dosen importiert haben. Die üblichen Shops für Schiedsrichterbedarf bieten es aber noch nicht an. Auch einen deutschen Vertrieb weist der argentinische Hersteller bislang auf seiner Website nicht auf.

Dieses Freistoßspray übergibt man dann dem TÜV Rheinland und gibt ein Gutachten in Auftrag. Und oh Wunder, was stellt der TÜV fest:

Das Blatt beruft sich auf ein Gutachten des TÜV-Rheinland, das BILD in Auftrag gegeben hatte. Das Spray dürfe in Deutschland und in der EU nicht eingesetzt werden, weil es nicht zugelassen sei, sagte Greta Dau, Wissenschaftlerin beim TÜV Rheinland der „Bild“. In der gegenwärtigen Form könne es auch nicht zugelassen werden.

Der TÜV testete das in Argentinien hergestellte Spray neun Tage lang. In ihrem Bericht hielten die Prüfer fest, dass im Spray auch Parabene enthalten seien, die im Verdacht stünden, hormonell wirksam zu sein. Vor allem fehle aber die Kennzeichnung mit dem Flammensymbol für hochentzündliche Produkte.

TÜV-Wissenschaftlerin Dau sagte gegenüber der „Bild“: „Mit 33 Prozent liegt die festgestellte Treibhaus-Konzentration vielfach höher als es bei nicht gekennzeichneten Dosen erlaubt ist.“ Zudem, so die Prüfer, seien die Warnhinweise nicht gemäß „Aerosolverpackungsordnung“ angebracht und die Kennzeichnung sei nicht wie vorgeschrieben in deutscher Sprache erfolgt. Auch die Angabe der Nettofüllmenge entspräche nicht europäischen Vorgaben.

Quelle

Widmen wir uns erstmal den „gefährlichen“ Parabenen. Laut Wikipedia werden Parabene in der pharmazeutischen Industrie, in Kosmetika sowie in bestimmten Lebensmitteln häufig als Konservierungsmittel eingesetzt. Schade, dass die BILD nicht ausführt, welche Art von Parabenen im Freistoßspray gefunden wurde. Dann könnte man nämlich klären, ob es vielleicht sogar die Art von Parabenen sind, deren Einsatz in Lebensmitteln erlaubt ist. Aber sei es drum. Essen will das Freistoßspray wohl keiner. Wer an dem „Sturm im Wasserglas“ um Parabene näher interessiert ist, sollte sich diesen Beitrag bei test.de zu Gemüte führen.

Doch zurück zum Freistoßspray.

Was bemängelt also der TÜV?

1. Es fehlt das Flammensymbol für hochentzündliche Stoffe
2. Die Warnhinweise gemäß Aerosolverpackungsverordnung fehlten
3. Die Kennzeichnung erfolge nicht in deutscher Sprache
4. Die Nettofüllmenge entspricht nicht europäischen Vorgaben

Was prinzipiell erstmal kein Wunder ist, wenn das Produkt aus Argentinien importiert wurde.

Aber dieses Problem ist ja nicht neu. Wer kennt nicht die Regale in jedem größeren Supermarkt, in denen Süßigkeiten und andere Produkte aus den USA verkauft werden? Auch diese Produktverpackungen entsprechen nicht den deutschen respektive europäischen Regelungen. Hier wird das ganz einfach gelöst. Mit einem Aufkleber, auf dem die deutschen, notwendigen Angaben zu finden sind.

Das Problem des Freistoßsprays ist daher kinderleicht zu lösen. Mit einem billigen Aufkleber, den der argentinische Hersteller bestimmt schon längst vorbereitet hat. Der Einführung des Freistoßsprays in der Bundesliga steht somit nichts im Wege.

Aber hierauf weist die BILD ja lieber nicht hin. Ebensowenig, dass das Spray bereits – trotz dieser angeblichen Probleme – in Europa und im Rahmen der UEFA-Wettbewerbe auch in Deutschland auf breiter Front eingesetzt wird.

Stört ja bloß die gute Story.

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2 Antworten

  1. civichief sagt:

    Besser als dpa und die etablierten Medien! Denn hier wurde eigenständig nachgedacht, wo andere nur Abschreiben, Skandalisieren und durch Ausblenden Zuspitzen

  2. George sagt:

    Als ich das neulich las hab ich echt gedacht das muss ein Scherz sein… Sorry aber sowas gibt es nur in Good old Germany 😀

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