Die europäische Grundversorgung, nicht mehr präsentiert von F*** und U**C*****

Das ZDF hat – wenig überraschend, wenn man die gebotenen Summen ansieht – die Free-TV-Rechte an der Champions League, der Königsklasse des europäischen Fußballs, ab der Saison 2012/13 erworben. Einiges zu den Hintergründen findet sich bei allesaussersport.

Die Entscheidung der UEFA, vielmehr das Gebot des öffentlich-rechtlichen ZDF, steht im Zentrum der öffentlichen Kritik von praktisch allen Seiten. Ein Argument, welches immer wieder genannt wird, ist:

Die Übertragungen der Champions League unterfallen nicht der Grundversorgung.

Was ist das eigentlich, diese Grundversorgung? Und zählt Europapokal zu dieser?

Zunächst:

Der Begriff der Grundversorgung findet sich in keinem Gesetz. Bei diesem Begriff handelt es sich um auf Art. 5 Abs. 1 GG gestützte Rechtsfortbildung, die praktisch allein auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht und den Ergüssen der Rechtslehre fußt. Der Begriff der Grundversorgung ist einer der Umstrittensten der Jurisprudenz. Für den Laien lässt sich das schnell und griffig zusammenfassen: Zwei Juristen, drei Meinungen.

Insofern lässt sich schon jetzt eines sagen: Es gibt keine definitive Antwort, ob die Champions League zur Grundversorgung zu zählen ist.

Eine Grundlage des Begriffs der Grundversorgung ist das 4. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 04.11.1986, Az.: 1 BvF 1/84).

In diesem findet sich folgende Formulierung, Rn 155f:

In dieser Ordnung ist die unerläßliche “Grundversorgung” Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu der sie imstande sind, weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind. Die damit gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung […] ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik:

Im Zeichen der Erweiterung des Rundfunkangebots um privat veranstaltete und europäische Programme kommt es darauf an zu gewährleisten, daß der klassische Auftrag des Rundfunks erfüllt wird, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, neben Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehender Information seine kulturelle Verantwortung umfaßt.

Die Champions League unterfällt nur schwerlich dem Begriff der politischen Willensbildung, außer man heißt Silvio Berlusconi. Und auch wenn es den Begriff der Fußball-Kultur gibt, ist dies nicht der Ansatzpunkt. Fußball, und damit auch die Champions League, unterfällt dem Begriff der Unterhaltung.

Das heißt:

Grundsätzlich unterfiele die Champions League nach diesen Maßgaben der Grundversorgung. Aber unbeschränkt ist dieser Auftrag auch nicht. Dies wurde präzisiert im 6. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 05.02.1991, Az.: 1 BvF 1/85, 1/88), Rn 403:

Der Begriff der Grundversorgung bezeichnet dabei weder eine Mindestversorgung, auf die der öffentlichrechtliche Rundfunk beschränkt ist oder ohne Folgen für die Anforderungen an den privaten Rundfunk beschränkt werden könnte, noch nimmt er eine Grenzziehung oder Aufgabenteilung zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Veranstaltern etwa in dem Sinne vor, daß jene für den informierenden und bildenden, diese für den unterhaltenden Teil des Programmangebots zuständig wären. Es muß vielmehr sichergestellt sein, daß die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anbieten, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren, und daß im Rahmen dieses Programmangebots Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise hergestellt wird […].

Diese Aussage ist absolut zentral für das aktuelle Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Von Seiten des Privatrundfunks wurde dieses Urteil mitsamt seiner Bestands- und Entwicklungsgarantie als Blankoscheck für den Expansionsdrang von ARD und ZDF bezeichnet. Nicht ganz zu Unrecht.

Nach dieser Auffassung stellt Grundversorgung eben nicht bloß ein Minimalangebot, das absolut notwendige dar. Das Bundesverfassungsgericht hat mit diesem Urteil den Begriff der Grundversorgung praktisch als “Rundumversorgung” ausgelegt.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe ein breites Angebot für alle Bevölkerungsschichten anzubieten, das alle Programmfarben – Information wie auch Unterhaltung – in der vollen Breite abzudecken habe.

Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesverfassungsgericht bisher nicht abgewichen, obwohl sich die Medienwelt erheblich geändert hat und – anders als im Jahre 1991 – die breite Öffentlichkeit den Privatrundfunk zwar noch gelegentlich als Unterschichtenfernsehen bezeichnet, aber doch nicht mehr als pures Werk des Teufels ansieht. Wozu auch ARD und ZDF ihren Anteil beigetragen haben, mit einem gehörigen Schuss Kommerzialisierung im Programm, das sich immer mehr an die private Konkurrenz anbiedert.

Insofern muss man eines konstantieren:

Zwar hat die Rechtslehre den Begriff der Grundversorgung seit diesem Urteil fortgebildet und zum Teil erheblich eingeschränkt, doch solange weder Verfassungsrichter noch Politik von dem oben gesagten abweichen, kann sich das ZDF in der Diskussion zurücklehnen und auf seinen Auftrag verweisen.

Und deshalb ist der Erwerb der Rechte an der Champions League eher nur am Rande eine juristische Frage, sondern einzig eine politische. Daher ist die Entscheidung des ZDF je nach Sichtweise eine dumme oder eine willkommene. Wird sie doch den politischen Diskussionen, den Grundversorgungsauftrag per Gesetz genau einzugrenzen und damit auch einzuschränken erneute Nahrung geben.

Am Ende wird vielleicht die Rechtshistorie diesen Moment als elementar im deutschen Rundfunkrecht ansehen. Der Zeitpunkt, an dem das ZDF sich nicht mehr unter Kontrolle hatte und auf die Provokationen zdf_neo und zdf.kultur noch den Erwerb der CL-Rechte für 54 Mio Euro draufsetzte. Nachdem man wegen der Leichtathletik-WM mit der IAAF um 3 Mio Euro feilschte.

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