Zündelmeister Hoeneß und van Gaals Man Management

Von seinem Lehrmeister Louis van Gaal hat Jose Mourinho es zumindest nicht gelernt. Die Kunst eines Trainers, mit dem Spielermaterial umzugehen, ist in der heutigen Zeit mehr Mehrfachbelastung und dementsprechend großen Kadern essentiell für den Erfolg eines Spitzenklubs. Von Jose Mourinho schwärmen bis heute viele Ex-Spieler, Frank Lampard, Didier Drogba, aber auch Ersatzspieler abseits der absoluten Topstars würden zu Fuß für ihren ehemaligen Übungsleiter die Alpen überqueren.

Bei Louis van Gaal gibt es zwar die Zitate von Xavi und Iniesta, die ihn weiterhin in höchsten Tönen loben, doch genauso gibt es schon nach nicht mal anderthalb Jahren bei Bayern genug Spieler, die die Kommunikation mit ihm mindestens als “schwierig” bezeichnen. Und diese Spieler stehen alle noch bei dem Verein unter Vertrag (wie etwa Franck Ribéry). Man mag sich vorstellen, wie die Äußerungen ausgefallen wären, hätte man nicht eine gewisse Loyalität zum Arbeitgeber und Trainer zu wahren.

Am gestrigen Sonntag nun hat Uli Hoeneß bei Sky90 unter Beweis gestellt, dass die Abteilung Attacke mit dem Umzug ins Präsidentenamt nicht geschlossen wurde. Sie arbeitet nur nicht mehr als Streubombe, sondern als Präzisionswerkzeug. Der Neupräsident des FC Bayern nutzte die Talkshow des Pay-Senders als Plattform, um dem Trainer aus Holland, mit dem erst vor kurzem die Vertragsverlängerung bis 2012 gefeiert hat, ein verkümmertes Man Management ins Stammbuch zu schreiben.

Diese Attacken erfolgten natürlich nicht aus der Hüfte geschossen, sondern waren wohlkalkuliert. Louis van Gaal akzeptiere andere Meinungen nicht. Er respektiere zwar die Granden in der bayerischen Führungsriege, am Ende zähle aber nur er und seine Marschroute. Fußball sei keine One-Man-Show.

Grundsätzlich ist an van Gaals Berufsauffassung nur wenig auszusetzen. Der Trainer bestimmt die sportlichen Geschicke, die Aufstellung, die Philosophie. Dafür hat man van Gaal geholt, dafür sind ihm viele Fans dankbar. Die Spielweise des deutschen Rekordmeisters hat seit seinem Amtsantritt wieder einen Sinn, einen Plan – was man von den Vorgängern Klinsmann, Magath und auch Hitzfeld nicht sagen konnte. Nicht umsonst bezeichnete Philipp Lahm van Gaal im Herbst 2009 als den wichtigsten Transfer des Sommers – und bekam nicht nur dafür die nach Angaben von Rummenigge “höchste Geldstrafe der Vereinsgeschichte”.

Doch womit Hoeneß leider absolut Recht hat, ist, dass van Gaal auch im Verhältnis zu seinen Spielern manchmal in negativer Weise konsequent ist. Ist man einmal bei ihm unten durch, war es das in aller Regel. Besonders erfahren durften das Mario Gomez und Anatoly Tymoshchuk, deren Transfers schon vor van Gaals Ankunft in München unter Dach und Fach waren. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Trainers war, in aller Öffentlichkeit zu erklären, dass diese beiden nicht “seine Transfers” seien. Wieder, im Grunde richtig. Es waren nicht seine Transfers. Dennoch darf man solch teuren Spieler nicht derart gleich zu Beginn einer Saison öffentlich hinrichten, wie es der Tulpengeneral gemacht hat.

In den letzten Wochen haben beide Spieler dann – trotz Personalnot – in kleinen Nadelstichen immer wieder gezeigt bekommen, was van Gaal wirklich von ihnen hält.

“Bei mir spielt ein Spieler nur, wenn er wirklich fit ist. Ein Spieler will immer spielen, man muss ihn aber vor sich selbst schützen.”

Sinngemäß betete dies der Bayern-Trainer immer wieder herunter, wenn ein Spieler nach überstandener Verletzung wieder mit den Hufen scharrte.

Und was passierte dann in der schwierigen Anfangsphase der Saison 2010/11, nach einer anstrengenden WM? Miroslav Klose und Thomas Müller, erkennbar noch nicht in WM-Form, wurden in der Offensive ständig Mario Gomez vorgezogen. Gomez, der weitaus weniger Spiele in den Knochen hatte. Zuletzt zog sich Klose sogar einen Muskelfaserriss im Training zu, weil er zu früh wieder ins Training eingestiegen war. Ob auf Bestreben von van Gaal, der Gomez trotz einiger Tore womöglich lieber gestern als morgen wieder auf der Bank sehen würde, wird man nie klären können.
Bezeichnend seine Aussage nach Gomez’ drei Toren gegen Hannover. Ob er gegen Cluj wieder von Anfang an spielen werde, wurde in der Pressekonferenz zum Spiel in der Champions League gefragt, in dem Gomez wieder (nicht ganz freiwillig) ein Tor schießen sollte. Er könne ja keinen Stürmer, der dreimal getroffen habe, auf die Bank setzen. Absolutes Vertrauen sieht anders aus.

Doch die Krönung der Ignoranz hat Anatoly Tymoshchuk in den letzten Wochen erfahren müssen. Kapitän bei Zenit St. Petersburg, deren bester Spieler in der Saison 2007/08, als man den UEFA Cup gewann, Kapitän und absoluter Leistungsträger der ukrainischen Nationalmannschaft. Bei Bayern? Laut van Gaal Weltklasse in der Defensive, offensiv aber unfähig. Daher für die Sechserposition bei Bayern nicht geeignet. Dafür brauche man Mark van Bommel mit seiner Spielübersicht.
Dies kulminierte dann darin, dass der erkennbar überspielte Neukapitän der Elftal nach dem WM-Finale trotz Verletzung außer Form weiterspielen durfte. Mit dem Ergebnis, dass die Verletzung sich nun angeblich bei der niederländischen Auswahl so verschlimmerte, dass er mehrere Wochen seinem Arbeitgeber nicht zur Verfügung steht.
Viele Mannschaften würden Tymoshchuk mit Kusshand für ihre Startelf nehmen. Bei Bayern hielt van Gaal seinem Landsmann trotz Verletzung die Treue.

Die Episode Demichelis ist da fast nur eine Randnotiz und ähnelt der Personalie Lucio frappierend. Von dem Trainer als Sicherheitsrisiko eingestuft scheint eine Trennung nur eine Frage der Zeit. Zumal der Argentinier durch seine konstante Unkonstanz auch die letzten Fürsprecher noch gegen sich aufbringt. Wobei hier tatsächlich die Frage erlaubt sein muss, ob man es hier nicht mit einem klassischen Henne-Ei-Problem zu tun hat, wenn man über seine Leistungen unter Hitzfeld denkt.

Was aber leider feststeht, ist, dass van Gaal in seinem Umgang mit den Ersatzspielern Nachholbedarf hat. Er rotiert nicht, er hält an seiner Stammelf fest, er hat erkennbar seine Lieblinge – und genauso hat er auch Spieler, die er eigentlich nicht mehr sehen will.
Im Gegensatz zu etwa Jose Mourinho, dem es gelingt, den gesamten Verein mit jedem einzelnen Angestellten zu seiner Wagenburg gegen den Rest der Welt aufzustellen und zu einen, stellt sich van Gaal über weite Teile des Clubs und lässt dies auch Spieler und Vorstand wissen.

Louis van Gaal wird niemals ein Kumpeltrainer werden, der mit seinen Topstars ein Bier trinken geht. Doch auch van Gaal muss erkennen, dass man 60 Spiele in einer Saison nicht mit bloß elf Spielern bestreiten kann. Die Bayern-Familie, die oftmals so gelobt wird, die zusammenhält, besteht nicht nur aus Robben und Olic. Auch Tymoshchuk und Gomez haben Respekt verdient, oftmals gegen Widerstände von Außen.

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