Ein paar Wünsche an Sportcast
Seit Frühjahr 2006 existiert nun die Produktionsfirma Sportcast als 100%ige Tochter der Deutschen Fußball-Liga und produziert exklusiv das Bildsignal der 1. und 2. Fußball-Bundesliga.
Das heißt:
Egal, auf welchem Sender man Bundesliga schaut, ob live, ob als Zusammenfassung – die Bilder kommen von Sportcast. Ob Bildregie bei Sky, ob Kamerapositionen bei Liga Total!, verantwortlich ist das Kölner Tochterunternehmen der DFL.
Was im Positiven für eine gleichbleibende Qualität bei allen 18 Spielen des Wochenendes sorgt, sorgt aber genauso auch für ein gewisses Schmoren im eigenen Saft. Das von Sportcast gelieferte Bild hat sich in den vergangenen Jahren in keinster Weise weiterentwickelt und sieht immer noch genauso aus, ob in punkto Kamerapositionen, Schnitt, Regie oder generell der Bildersprache.
Und nicht jedem gefällt die Leistung von Sportcast in allen Punkten.
Fangen wir mit der Bildregie an. Natürlich, vieles ist oftmals Geschmackssache. Da kommt man schnell zum üblichen Streitpunkt Emotionalität versus Sachlichkeit, der in der Sportberichterstattung häufig zu Tage tritt. Der eine steht auf die vielen Glamour Shots, d.h. Großaufnahmen, von prominenten Fans, von weniger prominenten Fans, von weiblichen Fans, von männlichen Fans, von Kindern im Publikum, von noch mehr weiblichen Fans. Mancher will den Spielern auch nah sein, die Nasenhaare des Lieblingsstürmers auf dem Full-HD-Screen erleben.
Für beides ist Platz in einer Fußballübertragung. Die Frage ist aber, wie, wann und wie oft solche Mittel, um eine Sendung “farbiger” zu gestalten, eingesetzt werden.
Was selbstverständlich sein sollte, ist, dass es zuerst mal um das Spiel selbst geht. Diesem sollte auch die Bildregie letztendlich dienen. Und aus dieser Prämisse lassen sich unmittelbar Konsequenzen für die optische Gestaltung des Bildsignals ableiten.
The Game is King. Wichtig ist das Spiel. Wichtiger als der B-Promi auf der Tribüne, wichtiger als der Trainer auf der Bank. Ist der Ball im Spiel, hat das Bild auch das Spiel zu zeigen. Selbst wenn das Spiel noch so langweilig geworden ist, so dass der Bildregisseur sich genötigt fühlt, es künstlich durch seine Kunst aufzuhübschen.
Viel zu oft vergisst Sportcast dies leider und zeigt statt des Spielaufbaus aus der eigenen Hälfte lieber den Gewichtsaufbau der Kundschaft auf den Business Seats.
Vollkommen unverständlich wird es dann, wenn – wie am Samstag im Spiel von Hansa Rostock gegen den FSV Frankfurt geschehen – die Bildregie während des letztlich entscheidenden Frankfurter Konters in der Schlussphase kurz auf den mitlaufenden Schiedsrichter in Großaufnahme umschaltet (!) und damit dem Zuschauer am TV die Übersicht über die Spielentwicklung in dieser wichtigen Phase raubt. Grundsätzlich scheint eine gute Spielübersicht keine hohe Präferenz bei den Sportcast-Entscheidern zu sein. Aber dazu später mehr.
In die gleiche Kerbe schlägt der Einsatz von Wiederholungen und Zeitlupen. Wunderbar geeignet, um Spielsituationen zu analysieren, um enge Entscheidungen zu hinterfragen, wird die Widerholung bei Sportcast leider viel zu häufig dafür eingesetzt, um vermeintlich langweilige Spielphase zu überbrücken und sich an zuvorigen Torschüssen zu ergötzen. Dass man dabei womöglich einen guten Pass, der ein Tor einleitet, verpasst – wird zugunsten des Gesamtkunstwerks in Kauf genommen.
Besonders ärgerlich ist es, wenn der übermäßige Wiederholungseinsatz in der hektischen Schlussphase eines Spiels passiert, in der man regelmäßig damit Gefahr läuft, wichtige Szenen zu verpassen. Zudem nimmt man der Spielübertragung damit einen Teil der natürlichen Emotionalität der entscheidenden Phase und ersetzt sie durch die künstlich geschaffene des Zeitlupeneinsatzes.
Hier sollte es eigentlich heißen, weniger ist manchmal mehr. Für drei Zeitlupen eines ungefährlichen Schusses ist Platz nach Abpfiff. Nicht in der sowieso schon knapp bemessenen Nachspielzeit.
Auch nach Toren übertreibt man es gerne mit den Wiederholungen. Manches klare Tor muss man nicht aus allen verfügbaren Perspektiven in verlangsamter Form erneut und nochmal und zum dritten mal sehen. Da genügt eigentlich eine einzige verlangsamte Wiederholung sowie eine weitere Wiederholung in Normalgeschwindigkeit. Dann besteht auch die Chance, dass man mit dem Livesignal wieder rechtzeitig zum Wiederanstoß fertig ist. Vollkommen abstrus wird es, wenn man gar zu Zeitlupen von Fan- oder Torjubel greift. Hier siegt eine falsch verstandene Emotionalität über das Spiel.
Doch die Krux schlechthin ist die mangelnde Spielübersicht in vielen Situationen. Hier spielen viele Punkte zusammen, die ein Gesamtbild ergeben, welches wiederum zu Schwierigkeiten für den Taktiker unter den Zuschauern führen. Angefangen mit den Kamerapositionen, die in vielen Stadien der Liga viel zu tief gewählt sind. Wenn durch diese Fehlentscheidung bei der Konzeption ständig nur ein Achtel des Spielfelds zu sehen ist, hat man natürlich auch als armchair coach keinerlei Chance, Spiel, Aufbau und Taktik zu analysieren, weil sich das Spielerlebnis qua Bildregie nur auf Zweikämpfe und Torschancen reduziert. Auch hier ein Beispiel vom vergangenen Wochenende – den Passempfänger Arjen Robben sah der TV-Zuschauer am Samstag bei Bayerns 2-0 erst, als dieser den Ball von van Bommel schon fast am Fuß hatte.
Dass dies nicht sein muss, zeigen die Kameraperspektiven bei Weltmeisterschaften, die unter dem Diktat der FIFA sehr hoch angelegt und damit sehr auf eine Totale angelegt sind.
Grundsätzlich kann man aber, egal, wie die Kamera selbst steht, durch die Konfiguration trotzdem noch den Bildeindruck beeinflussen. Ob man eher auf eine echte Totale aus ist oder doch zur verkappten Nahaufnahme neigt. Bei Sportcast greift man lieber mal zur emotionalen, näher-dran Perspektive.
Negativ zeigt dies sich auch generell bei Ecken. Anstatt den Gesamteindruck des Geschehens einzufangen, wählt man Großaufnahmen von sich festhaltenden Stürmern und Verteidigern sowie den ausführenden Eckenschützen. Die Übersicht über eventuell freistehende Spieler geht dabei zwangsläufig vor die Hunde.
Was Kamerapositionen angeht, hat eine sehr sinnvolle Innovation, die sich in den Übertragungen der englischen Premier League eingebürgert hat, den Sprung über den Kanal leider noch nicht geschafft. Dort wird auf Höhe der Torlinie etwas erhöht eine Kamera aufgestellt, die nur von schräg oben den Torraum und hier besonders die Torlinie einfängt (ein Beispielbild gibt es etwa hier). Sozusagen eine Art Torkamera, die streitige Fragen, ob der Ball über der Linie war, weitaus leichter beantwortet, als die schräg zum Tor auf Höhe des Sechszehn-Meter-Raums aufgestellten Kameras von Sportcast. Dass Sportcast solche Kameras nicht auch in Bundesligastadien aufstellt, kann man sich eigentlich nur damit erklären, dass man Schiedsrichter bei Fehlentscheidungen nicht noch mehr bloßstellen will als nötig.
Nur zur Klarstellung:
Dies ist Jammern auf hohem Niveau. Sportcast bietet ein gutes Bildsignal ab, das sich international nicht verstecken muss und etwa um Längen vor der unmotivierten Arbeit liegt, die uns regelmäßig aus Spanien erreicht. Dennoch sind es kleine Punkte, die seit nunmehr einigen Jahren auffallen und bei denen sich nichts tut, da man das Gefühl haben kann, dass Sportcast durch seine Position als DFL-Tochter sowieso unangreifbar ist.
Es wäre erfreulich, wenn sich Sportcast auch mal im Ausland – etwa England – Anregungen holt, wie man das hohe Niveau noch verbessern kann.
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