Jugendarbeit im Eishockey – Desperate Times call for Desperate Measures

Zwei nur auf den ersten Blick singuläre Ereignisse im deutschen Eishockey haben den Blick der Öffentlichkeit mal wieder deutlich auf einen Missstand geworfen, der immer offensichtlicher wird. Der Misserfolg der deutschen Nationalmannschaft im olympischen Eishockey-Turnier mit sage und schreibe keinem einzigen Punkt und die drohende Insolvenz der Kölner Haien lassen Überlegungen über die Zukunft der Jugendarbeit im deutschen Eishockey notwendig werden.

Die DEL rühmt sich gerne, eine der erfolgreichsten Eishockey-Ligen Europas zu sein. Kunststück, mag man sagen, leiden doch die Ligen von sportlich besseren Verbänden in Osteuropa und Skandinavien unter den wirtschaftlich deutlich schlechteren Rahmenbedingungen. Heißt: Selbst ein durchschnittliches deutsches Produkt würde sich in der europäischen Spitzengruppe positionieren, einzig die russische KHL ist dank Oligarchen-Rubel-Millionen vollkommen außer Reichweite.

Auch über die inzwischen doch erkleckliche Zahl an deutschen Profis in der NHL rühmt man sich, und zwar nicht ganz zu unrecht. Jochen Hecht, Marco Sturm, Christian Ehrhoff – alle sind sie Leistungsträger in ihren Organisationen. Hinzu kommen Spieler wie Dennis Seidenberg oder Marcel Goc, die sich ihres Platzes in der besten Liga der Welt sicher sein können.

Doch kratzt man etwas an der Oberfläche, sieht man deutliche Probleme an der Substanz des deutschen Eishockeys. Und immer dann, wenn eine Krise ins Haus steht – wie nun die drohende Insolvenz des Aushängeschilds Kölner Haie – wird einem dies noch bewusster. Denn genau diese Haie überlegen nun, angesichts der Fehlbeträge die Axt dort anzulegen, wo viel Kapital hineinfließt und der Ertrag erst deutlich später herauskommt: Bei der Jugendarbeit.

Daher ist es an der Zeit, über vollkommen neue Wege nachzudenken, um die Jugendarbeit im deutschen Eishockey auf vollkommen andere Füße zu stellen:

Die Abspaltung der Verantwortung über die Elite-Jugendarbeit von den Seniorenklubs.

Jugendarbeit ist – im deutschen Eishockey wie in eigentlich allen Teamsportarten – vorwiegend Sache der Seniorenklubs. Teams wie die Kölner Haie, die Adler Mannheim oder die Eisbären Berlin betreiben Jugendteams quer durch die Altersgruppen.

Hier werden Spieler aus dem ganzen Bundesgebiet herangezogen und nach Möglichkeit an die Profiteams herangeführt.

Aber genau diese Ausrichtung, diese Unterordnung unter den Profibetrieb, sorgt auch dafür, dass in der Jugendarbeit die Tendenz herrscht, dass Entscheidungen getroffen werden, die unter Ausbildungsgesichtspunkten nicht sinnvoll sind. Ob etwa bei Geldmangel gleich das ganze Projekt in Frage gestellt wird oder einfach nur ein Spieler bei Personalnot zu früh ins kalte Wasser Profimannschaft geworfen wird und hier dann mehr auf der Bank sitzt als auf dem Eis spielt. Oder, weil die Profimannschaft in der Krise steckt und das Geld sowieso nicht so locker ist, die kurze Eiszeit in der städischen Eishalle wieder zum Großteil von der Profimannschaft beansprucht wird.

Zudem erfolgt die Jagd nach den besten Talenten schon zu einem Alter, in dem die Jungspieler besser nicht aus dem heimischen Umfeld gerissen werden sollten, sondern in der gewohnten Umgebung ihrem Sport nachgehen müssten.

Aus diesem Grund ist es Zeit, die Jugendarbeit im Eishockey – aber womöglich auch in anderen kleineren, finanziell weniger gut ausgestatteten Sportarten – radikal umzukrempeln und neu aufzustellen:

Die Jugendarbeit muss weg von der zersplitterten Landschaft des Klubsystems, hin in die organisatorische und finanzielle Verantwortung eines einheitlichen, bundesweiten Verbandes. Ob das dann der DEB ist oder ein von der DEL zu gründender ist dann schlussendlich irrelevant.

Hierzu würden dann zwölf bis sechzehn Elitestützpunkte in der ganzen Republik gegründet (mit natürlich einem regionalen Übergewicht im Süden), die die Ausbildung des Topnachwuchses im Eishockey in allen Altersstufen übernehmen. Angeschlossen sind hieran Sportinternate, in denen die Talente auch abseits des Eises fit für die Zukunft gemacht werden.

Apropos Eis: Wichtig ist, dass diese Stützpunkte mittelfristig über eigene Eisflächen verfügen, über deren Belegung sie vollkommen eigenständig entscheiden können.

Die Mannschaften der Stützpunkte spielen dann in einem eigenen Ligasystem in den jeweiligen Altersstufen, an der Spitze die U19-Liga als höchste Spielklasse des neuen Nachwuchssystems.

Diesem System arbeiten die übrigen Eishockey-Vereine außerhalb der DEL zu, die weiterhin – auf ihrem Level – Nachwuchsarbeit betreiben und die fertigen Spieler erhalten, die im Seniorenbereich keinen Platz in der DEL bekommen. Die DEL dagegen finanziert dieses Elitesystem, zum Teil über festgelegte Prozentsätze der eigenen Einnahmen des Profibetriebs, zum Teil durch neue Sponsoren, die explizit den Jugendbereich fördern. Den Zugriff auf die hier ausgebildeten Spieler könnte für die DEL-Mannschaften über das normale, derzeit praktizierte Modell des freien Marktes oder eine Art Draft oder ein Mischsystem geschehen. Natürlich nicht im klassischen, US-amerikanischen Sinne, da das dortige Modell deutschem Arbeitsrecht nicht standhält, sondern mit entsprechenden Anpassungen. Es ist im übrigen kein Zufall, dass das ganze System zum Teil vom nordamerikanischen System inspiriert ist, in dem die NHL auch keinerlei direkte Jugendarbeit betreibt. Der CHL und der NCAA ist im Gegenzug das Geschehen im Profibereich ebenso relativ egal. So können beide “Welten” das Optimum für ihre Bedürfnisse anpeilen.

Ein solches zentralisiertes, vom Profibetrieb autarkes Nachswuchssystem würde einen deutlichen Schritt nach vorne, hin zu mehr Konstanz und Qualität bedeuten. Und die Profiteams könnten sich endlich darauf konzentrieren, zumindest den Spielbetrieb der Profimannschaften in Ordnung zu halten. Von der gesteigerten Qualität und Quantität der Nachwuchsspieler profitieren dann schlussendlich sowohl Nationalmannschaften wie Profiklubs.

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