Nachrichten sind wie Bundesliga

In Medienkreisen gibt es seit einigen Tagen kaum ein anderes Thema. ProSiebenSat1, immerhin die zweitgrößte Senderkette des deutschen Privatfernsehduopols, betrachtet den Nachrichtenanteil im Programm und den Sender N24 als wirtschaftliches Problem, bei dem mehr oder weniger Hopfen und Malz verloren sei. Man habe, anders als der große private Konkurrent RTL viel zu spät in den Aufbau der Nachrichtenkompetenz investiert, und nun sei es dafür auch eher zu spät. Besonders heikel wird diese Sichtweise für den Sender und Dienstleister N24, der die Nachrichten für die Senderfamilie produziert und nun vor einem Umbau oder einem Verkauf steht.

Sendergruppen-Chef Thomas Ebeling hat zwar nicht ganz Unrecht, wenn er schlussfolgert, dass man mit Nachrichten kein Geld verdienen könne, sondern nur für gutes Image bei Politikern sorgen könne. Doch leider unterschätzt er die Tragweite der positiven Aspekte eines Nachrichtenangebots für einen Privatsender – trotz der nicht oder schwer refinanzierbaren Kosten.

Insofern sind Nachrichten für einen TV-Sender nicht viel anders als die Fußball-Bundesliga.

Blickt man zurück, welche Ereignisse für das Image, für die Relevanz des deutschen Privatfernsehens entscheidend waren, kommt man nicht an dem Erwerb der Bundesliga-Rechte durch zuerst RTL, später Sat 1 vorbei. Durch Sport rückt man in den Fokus der Zuschauer, wird als wichtiges Angebot wahrgenommen.

Auch im Ausland ist es ähnlich. Den Aufstieg in die Topliga der US-Networks schaffte der US-Sender Fox durch den Erwerb von NFL-Rechten und einen Geniestreich namens Simpsons. Und eben jener Rupert Murdoch, Eigner von Fox, erwähnte bei so mancher Gelegenheit, dass Sport der Rammbock, etwa für seine diversen Pay-TVs, sei.

Was für Sport von niemandem mehr ernsthaft bestritten wird, dass sich teure Rechte hier womöglich nur über Querfinanzierung mit anderen Formaten rechnen, dass der Gewinn hier eher ideell zu verzeichnen ist, gilt aber genauso für Nachrichten.

Nachrichten – oder allgemeiner formuliert: eigenproduzierte, journalistische Inhalte – müssen für sich selbst gesehen gar nicht Gewinn abwerfen. Es ist vielmehr die Aufgabe der Verantwortlichen, Wege zu finden, wie man die imagefördernden Effekte solcher Angebote überträgt und hier zu Geld macht. Die Wege sind mannigfaltig. Und gerade für eine Senderfamilien, wie es ProSiebenSat1 ist, sollte es ein leichtes sein, diese Möglichkeiten auszuschöpfen.
Ein hochwertiges Nachrichtenangebot sorgt für ein gutes Image, besonders bei gebildeten Gutverdienern, dies zieht dadurch ein entsprechendes Publikum auch für das übrige Programm an, was wiederum zu hochwertigen und entsprechend finanziell potenten Werbekunden führt. Audi statt Klingeltonwerbung. Apple statt Kredit ohne Schufa. Big Brother brachte RTL2 mit seinem zweifelhaften Ruf oft für seine Verhältnisse enorme Einschaltquoten, hat jedoch erkennbare Probleme mit dem Image und ist entsprechend manchmal schwer zu verkaufen und findet nur begrenzt wertige Werbekunden. R-Gespräch-Anbieter als Presenting Partner in der Prime Time etwa. Ein anderes Reality-Format, Deutschland sucht den Superstar, läuft dagegen beim als hochwertiger empfundenen Hauptsender RTL in einem ganz anderen Umfeld, wird wertiger wahrgenommen, mit der Folge, dass hier die A-Liga von Autohersteller bis zu Telekomanbieter vertreten ist.

Das Problem, welches N24 mit sich herumschleppt, ist, dass man in den Besitzverhältnissen nicht wirklich auf eine ruhige Vergangenheit zurückblicken kann und sich daher selten so entwickeln konnte, wie es nötig gewesen wäre. Gegründet noch unter der Ägide Leo Kirchs, dann durch die Insolvenz der Mutter in die Arme von Haim Saban, nun im Portfolio der Investoren Permira und KKR.
Doch wenn man die Verantwortung für die aktuelle Entwicklung nun nur auf die Heuschrecken ablagert, verkennt man andere Ursachen, die dazu führen, dass die aktuelle Führung nun die Geduld mit dem defizitären Programmbereich verliert.

Aus der Ecke des Privatfunks hört man oft das nicht ganz unberechtigte Mantra, dass privatwirtschaftlich finanzierter Journalismus unter der übermächtigen öffentlich-rechtlichen Konkurrenz erdrückt zu werden droht. Aber viel zu lange hat man die Schuld für das eigene Scheitern auf andere geschoben.
Unter dem Eindruck des Informationsangebots von ARD und ZDF hieß die Antwort der privaten Nachrichtenbemühungen, dass man seine Lücke viel zu oft im seichten Wasser gesucht hat – nach dem Motto: Die Informationselite schaut sowieso Tagesthemen, dann machen wir eben Boulevard. Doch diese Resignation führt gerade dazu, dass man sich den Imagegewinnen verweigert, die ein eigenes, hochwertiges journalistisches Angebot haben kann.

Mit Informationsangeboten Marke taff oder RTL2 News gewinnt man – unabhängig von dem eventuellen Unterhaltungswert – eben gerade keine Pluspunkte bei Bevölkerungs- und Zuschauergruppen, die eigentlich nicht von dem Sender erreicht werden, die nicht zur klassichen Zielgruppe gehören. Hier werden Imagegewinne zu Gunsten des audience flows geopfert, ein seichtes Informationsprogramm soll die Zuschauer, die wegen der seichten Dokusoaps an Bord sind, bloß nicht verjagen.

Dass die Konsequenz dann, weil die positiven Aspekte eines Informationsangebots ausbleiben, womöglich ist, dass ein Privatsender die Investitionen hier noch mehr zurückfährt, noch weniger bereit ist, ein Zuschussgeschäft weiter zu unterhalten, ist genauso logisch wie aber auch selbstverschuldet. Eine klassische self-fulfilling prophecy.

N24 als Sender und das journalistische Angebot von ProSiebenSat1 leiden heute unter den ewigen Sparmaßnahmen, die zu einem verkappten Dokusender und Nachrichtensendungen, die leider selten über ein Abspielen von Agenturmeldungen hinausgehen, führten. Dass hiervon keine positiven Imageeffekte bei Entscheidern, bei gut gebildeten Zuschauergruppen, bei Eliten mit hohen Einkommen ausgehen, ist fast zwangsläufig. Das klassische Segment der Breaking News erstreckt sich bei N24, aber auch bei der Konkurrenz, außerhalb der Kernzeiten, die sich immer mehr auf die Morgen- und Mittagsstunden konzentrieren, einzig auf die redaktionelle Bestückung des Laufbands. In den Vollprogrammen werden Informationsstrecken immer mehr zusammengekürzt. Der Weg zum seelenlosen Abnudelkanal ist dann leider nicht mehr weit.
Die letzten Jahre wurde die Axt schon immer öfter an die journalistische Qualität bei ProSiebenSat1 und hier besonders N24 angelegt. Man möchte fast meinen, dass nun endlich, da es in einem solchem Zustand ist, der Führung ein Argument an die Hand gegeben ist, das ungeliebte Stiefkind vollends vor die Tür zu setzen.

Und man möchte es daher N24 fast wünschen, dass man den Weg aus dieser Sendergruppe findet. Unter die Arme eines anderen Anbieters, die diese Synergien, diese positiven Imageeffekte weitaus besser zu nutzen und zu schätzen weiß. Der bereit ist, für diese Imagegewinne auch gewisse Verluste zu akzeptieren, weil er weiß, dass er diese bei seinen anderen Angeboten zurück erhalten wird. Einzig der Glaube hieran fällt schwer, nicht zuletzt, da der deutsche Medienmarkt sowieso derzeit am Boden liegt und eine langfristige Zukunftsoption einiger Fantasie bedarf. Dass man jemanden findet, der zu weiß, dass Nachrichten, eigene journalistische Angebote für einen ernstzunehmenden TV-Sender mindestens genauso wichtig wie Bundesliga sind.

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